Körpereigene Knochenfabrik im Schienbein
Neues Verfahren soll die Entnahme von Knochengewebe aus der Hüfte ersetzen
Große Mengen von neuem Knochengewebe für Transplantationen könnten
künftig schmerzfrei im Schienbein hergestellt werden. Das hat ein
internationales Forscherteam bei Untersuchungen an Kaninchen gezeigt.
Ein Hohlraum zwischen Knochen und Knochenhaut dient dabei als
Bioreaktor. Das neu gebildete Knochengewebe kann zur Behandlung von
Verletzungen oder Krankheiten eingesetzt werden. Bisher wird bei
größeren Knochenschäden meist Material aus dem Beckenknochen des
Patienten entnommen.
Bei größeren Knochenschäden wie schweren Brüchen oder nach der
Entfernung eines Tumors kann eine Knochentransplantation nötig sein. Um
Autoimmunreaktionen zu vermeiden, wird dazu körpereigenes Knochengewebe
vom Beckenkamm oder vom Hüftbein entnommen und an der betreffenden
Stelle eingesetzt. Dies ist jedoch für den Patienten mit starken
Schmerzen und Beschwerden verbunden. Andere Methoden zur Knochenbildung
basieren auf der Transplantation von Knochenzellen, die vorher mit
Wachstumsfaktoren zur Teilung angeregt wurden.
In ihrer Arbeit stellten die Forscher um Stevens nun Knochengewebe her,
indem sie im Schienbein den körpereigenen Heilungsmechanismus anregten.
Dazu schufen sie mit einem selbst entwickelten hydraulischen
Hebeverfahren einen 200 Kubikmillimeter großen Hohlraum zwischen dem
Schienbeinknochen und der Knochenhaut. Die Knochenhaut enthält
zahlreiche Zellen, die verschiedene Gewebetypen – unter anderem auch
Knochengewebe – aufbauen können. Den Hohlraum füllten die
Wissenschaftler mit einem kalziumhaltigen Gel, das die Bildung von
Knochenzellen fördert.
Die Knochenhaut am Schienbein bildete innerhalb weniger Wochen große
Mengen an neuem Knochengewebe. Der neu gebildete Knochen unterschied
sich weder in der Druckfestigkeit noch strukturell von herkömmlichem
Knochengewebe, stellten Stevens und ihre Kollegen fest. Als die
Forscher das neue Knochengewebe in ein beschädigtes Schienbein
transplantierten, integrierte sich dieses vollständig in den defekten
Schienbeinknochen. Auch in dem Schienbein, in dem das Material
hergestellt worden war, kam es nicht zu einer Erkrankung.
Molly Stevens (Technologie-Institut in Massachusetts (MIT), Cambridge)
et al.: PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, doi 10.1073/pnas.0504705102