Zahnärztliche Behandlung im europäischen Ausland-die rechtliche Situation
Für gesetzlich Pflichtversicherte und freiwillig gesetzlich versicherte
deutsche Patienten galt bis zum 31.12.2003 das Prinzip der freien
Arztwahl nur innerhalb der Staatsgrenzen. Wer sich von einem Arzt im
Ausland behandeln lassen wollte, benötigte hierzu die Erlaubnis seiner
gesetzlichen Krankenkasse. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gab es
nur dann, wenn bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt ein
besonderer Notfall vorlag.
Mit Urteil vom 13. Mai 2003 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)
entschieden, dass der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs
nationale Regelungen verbietet, nach denen eine ambulante Versorgung,
die in einem Mitgliedsstaat der EU erfolgt von einer vorherigen
Genehmigung erforderlich gemacht wird (EuGH, C-385/99).
Diese Rechtsprechung hat der deutsche Gesetzgeber im
GKV-Modernisierungsgesetz – GMG umgesetzt und § 13 SGB V um die Absätze
4-6 erweitert, die die Kostenerstattung für die im EU-Ausland in
Anspruch genommene Behandlung regeln.
Damit ist im Prinzip eine ambulante zahnärztliche/ärztliche Behandlung
im europäischen Ausland nun jederzeit ohne vorherige Genehmigung gegen
Kostenerstattung durch die eigene gesetzliche Krankenkasse möglich.
Folgende Punkte sind zu beachten:
Zunächst beschränkt sich die Einstandspflicht der deutschen
Krankenkasse auf den Betrag, der bei einer entsprechenden Behandlung
bei einem Zahnarzt/Arzt in Deutschland angefallen wäre. Wer im Ausland
einen Zahnarzt/Arzt aufsucht, gilt dort als Privatpatient, dem auch
Privatgebühren in Rechnung gestellt werden. In Deutschland werden
dagegen nur "Kassensätze" erstattet.
Darüber hinaus gilt, dass für Leistungen, die in Deutschland
möglicherweise überhaupt nicht ersetzt werden (beispielsweise
implantologische Leistungen) eine Kostenerstattung ausscheidet.
Nach der gesetzlichen Regelung muss die Krankenkasse vom
Erstattungsbetrag eine Bearbeitungsgebühr und einen Abschlag für
fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen einbehalten. Dieser wird
voraussichtlich bei rund 7,5 Prozent des Erstattungsbetrages liegen.
Valide Studien zur Behandlungsqualität liegen bislang für den
europäischen Raum nicht vor. Eine Studie des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung Rheinland-Pfalz und des Instituts für Medizinische
Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universität Mainz, zu
Ergebnisqualität und Kosteneffektivität zahnärztlich-prothetischer
Versorgungen im (Nicht-EU-) Ausland, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass
lediglich 23 Prozent, der 60 begutachteten Patienten einen
zufriedenstellenden Zahnersatz erhielten. Den Kostenvorteil, welchen
sich die Patienten vor Behandlungsbeginn errechnet hatten erwies sich
in vielen Fällen als Kostennachteil.
Da Zahnersatz meist am Ende einer umfangreichen Diagnostik und
Vorbehandlung des Zahn-, Mund- und Kieferbereiches steht, muss der
Zahnhalteapparat frei von Entzündungen (Zahnfleischbluten und
Zahnfleischtaschen) sein. Alle Zähne müssen vital oder mit regelrechten
Wurzelbehandlungen versehen sein. Vorhandene Karies an allen Zähnen
muss beseitigt werden und mit regelrechten Füllungen versehen sein. Mit
Hilfe von Röntgenbildern ist der Zustand des Knochens und der
Wurzelspitzen im Voraus zu beurteilen. Auch die Mundschleimhaut und die
Funktion der Kiefergelenke müssen frei von Störungen oder Erkrankungen
sein. Sofern in diesen Bereichen Erkrankungen vorliegen muss oftmals
eine länger dauernde Vorbehandlung erfolgen.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Eingliederung und lange
Haltbarkeit von Zahnersatz ist, dass der Patient eine optimale
Mundhygiene durchführt. Hierzu sind vor Beginn der Behandlung aber auch
nach Eingliederung von Zahnersatz ausreichende Informationen und
gezielte Unterweisungen durch Zahnärzte oder Prophylaxeassistentinnen
notwendig.
Treten Komplikationen auf, sind möglicherweise nicht geplante Verlängerungen des Aufenthalts im Ausland erforderlich.
Im Falle von Behandlungsfehlern ist zu beachten, dass sich die
Durchsetzung von Schadenersatz und insbesondere
Schmerzensgeldansprüchen nach dem Recht des Behandlungsortes richtet
und auch dort gerichtlich durchzusetzen wäre.
Hinzu tritt für den Patienten der Verlust einer auf Kontinuität und
Vertrauensverhältnis basierenden gewachsenen Beziehung zwischen
Zahnarzt/Arzt und Patient. Nicht selten sind entsprechende
Nachbehandlungen nach Eingliederung von Zahnersatz notwendig, die sich
oftmals über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Auftretende
Symptome hierbei stehen im engen Zusammenhang mit der Herstellung des
Zahnersatzes, die oftmals nur der verantwortliche Zahnarzt entsprechend
deuten kann.