Pemphigus vulgaris (Blasensucht)

Mundbläschen als Zeichen einer schweren Erkrankung

Pemphigus vulgaris ist eine seltene, aber schwerwiegende Autoimmunerkrankung, die durch schmerzhafte Blasenbildung an Haut und Schleimhäuten gekennzeichnet ist. Besonders tückisch: In über 90% der Fälle beginnt die Erkrankung mit Bläschen im Mund, was Zahnärzte und Hausärzte zu wichtigen Erstdiagnostikern macht.

Bei Pemphigus vulgaris greifen körpereigene Antikörper spezielle Proteine (Desmoglein-1 und Desmoglein-3) an, die normalerweise die Hautzellen zusammenhalten. Diese Autoimmunreaktion führt zur Akantholyse – dem Verlust des Zellzusammenhalts zwischen den Keratinozyten. Die Folge sind charakteristische, schlaffe Blasen, die bereits bei geringster Berührung platzen und schmerzhafte, offene Wunden hinterlassen.

Der Name stammt aus dem Griechischen: „Pemphix“ bedeutet Blase oder Bläschen. Während früher fast alle Patienten an den Folgen der Erkrankung verstarben, hat sich die Prognose durch moderne Therapien deutlich verbessert.

Eine Blasensucht ist nicht so selten: Häufigkeit und Betroffene

Pemphigus vulgaris ist mit 0,5-3,2 Fällen pro 100.000 Einwohner jährlich extrem selten. Die Erkrankung tritt typischerweise zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer (Verhältnis etwa 2:1). Besonders gefährdet sind Menschen mediterraner, jüdischer und asiatischer Abstammung.

Bestimmte Medikamente können Pemphigus vulgaris auslösen, insbesondere:

  • ACE-Hemmer (Captopril)
  • Penicillamin
  • Rifampicin
  • Cephalosporine

Mundschleimhaut früh betroffen: Blasenbildung als erste Anzeichen erkennen

Warnsignale in der Mundhöhle:

Bei 80-90% der Patienten entwickeln sich die ersten Symptome im Mund, oft Monate vor dem Auftreten von Hautläsionen. Typische Frühzeichen sind:

  • Schmerzhafte Blasenbildung an Mundschleimhaut, Lippen und Zahnfleisch
  • Großflächige Erosionen mit gelblich-weißen Belägen, die bei Berührung bluten
  • Positive Nikolsky-Zeichen: Schleimhaut löst sich bereits bei sanftem Wischen ab
  • Schmerzen beim Sprechen, Kauen und Schlucken
  • Desquamative Gingivitis mit Zahnfleischblutungen
  • Gewichtsverlust durch eingeschränkte Nahrungsaufnahme

Die Wangenschleimhaut ist am häufigsten betroffen, gefolgt von Gaumen, Zunge und Lippen. Das Zahnfleisch ist seltener beteiligt, zeigt aber eine charakteristische Gingivitis bei sich die Oberfläche ablöst.

Pemphigus und Zahnimplantate

Patientin mit Pemphigus oder Pemphigoid werden oft über längere Zeiträume mit Kortikosteroiden oder anderen Immunsuppressiva behandelt, das mach sie theoretisch zur schlechten Kandidaten für eine Implantatbehandlung. In Studien war die Implantatverlustrate während Nachbeobachtungszeiten von 4 bis 13 Jahren minimal. Alle Patienten erhielten Prednison- oder Kortisontherapie, und es wurde kein Einfluss der Medikation oder der zugrunde liegenden Autoimmunerkrankung auf das Implantatüberleben festgestellt. Die Studienlage ist zwar dünn, und trotz der Heterogenität und methodischen Einschränkungen scheinen die Erfolgsraten von Zahnimplantaten vergleichbar mit denen in der Allgemeinbevölkerung zu sein. Hohe Erfolgsraten der  ermutigen dazu, Indikationsbeschränkungen für Dentalimplantat-Behandlungen unter vernünftigen und sorgfältigen schrittweisen Behandlungsregimen zu überwinden.

Präzise Diagnostik rettet Leben

Klinische Untersuchung:

  • Inspektion aller Schleimhäute
  • Nikolsky-Zeichen prüfen
  • Verteilungsmuster dokumentieren

Labordiagnostik: Die Diagnose erfordert eine Kombination aus klinischem Bild, Histopathologie und entweder positive direkte Immunfluoreszenz oder serologischen Nachweis von Autoantikörpern gegen epitheliale Oberflächenantigene.

  • Hautbiopsie mit histologischer Untersuchung (suprabasale Akantholyse)
  • Direkte Immunfluoreszenz („chicken wire“-Muster)
  • ELISA-Test auf Desmoglein-1 und Desmoglein-3 Antikörper
  • Indirekte Immunfluoreszenz zum Monitoring

Differentialdiagnose: Abzugrenzen sind vor allem:

Moderne Therapieansätze: Von Kortison bis Rituximab

Behandlungsziele:

  • Blasenneubildung stoppen
  • Bestehende Läsionen zur Abheilung bringen
  • Remission erreichen
  • Nebenwirkungen minimieren

Erste Wahl: Systemische Therapie

Kortikoide bleiben Goldstandard: Systemische Kortikoide sind nach wie vor die Standardtherapie für Pemphigus vulgaris. Prednisolon wird in zwei Phasen eingesetzt:

  1. Induktionsphase: 1-2 mg/kg Körpergewicht täglich
  2. Erhaltungsphase: Schrittweise Reduktion um 25% alle 2 Wochen

Immunsuppressiva als Kortisonsparer: Azathioprin und Mycophenolat-Mofetil sind Erstlinien-Therapien zur Kortikoid-Einsparung.

  • Azathioprin: 1-3 mg/kg täglich (TPMT-Bestimmung vorher!)
  • Mycophenolat-Mofetil: 2-3 g täglich
  • Methotrexat: 10-25 mg wöchentlich
  • Cyclophosphamid: bei schweren Verläufen

Durchbruch in der Behandlung durch neuen Wirkstoff Rituximab

Ein Paradigmenwechsel: Rituximab (CD20-Antikörper) wurde 2017/2020 als Erstlinientherapie bei moderatem bis schwerem Pemphigus vulgaris zugelassen.

Vorteile von Rituximab:

  • Hocheffektiv bei therapieresistenten Fällen
  • Längere Remissionsphasen
  • Reduzierte Kortisonbelastung
  • 375 mg/m² wöchentlich für 4 Wochen oder 1000 mg an Tag 1 und 15

Unterstützende Therapie der Mundschleimhaut-Läsionen

Lokale Behandlung:

  • Triamcinolon-Paste 0,1% in Orabase
  • Clobetasol-Gel 0,05%
  • Betamethason-Mundspülung
  • Antiseptische Mundspülungen (Chlorhexidin)
  • Analgetika bei starken Schmerzen

Ernährungsberatung:

  • Weiche, milde Kost
  • Verzicht auf säurehaltige, scharfe Speisen
  • Hochkalorische Supplementierung bei Gewichtsverlust
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr

Notfalltherapie bei schweren Verläufen

Bei lebensbedrohlichen Situationen:

  • Plasmapherese/Immunadsorption: Entfernung pathogener Antikörper
  • Intravenöse Immunglobuline (IVIG): 2 g/kg über 2-5 Tage
  • Pulstherapie: Methylprednisolon 500-1000 mg i.v. für 3 Tage

Prognose: Früherkennung beim Pemphigus vulgaris entscheidet

Unbehandelt: Ohne Therapie ist Pemphigus vulgaris in der Regel tödlich. Todesursachen sind Sepsis, Flüssigkeitsverlust und kardiovaskuläre Komplikationen.

Mit moderner Therapie: Die Mortalität konnte auf etwa 5% gesenkt werden. Vollständige Remission erreichen 38% nach 3 Jahren, 50% nach 5 Jahren und 75% nach 10 Jahren.

Prognosefaktoren:

  • Günstig: Frühe Diagnose, jüngeres Alter, nur orale Beteiligung
  • Ungünstig: Verzögerte Diagnose, ausgedehnte Hautbeteiligung, höheres Alter

Praktische Tipps für Betroffene

Mundpflege:

  • Weiche Zahnbürste verwenden
  • Schaumfreie Zahnpasta wählen
  • Mundspülungen nach Anweisung
  • Regelmäßige zahnärztliche Kontrollen

Lifestyle-Anpassungen:

  • UV-Schutz (verstärkt Blasenbildung)
  • Stress reduzieren (kann Schübe auslösen)
  • Infekte vermeiden (Immunsuppression)
  • Wunden sauber und feucht halten

Monitoring:

  • Regelmäßige Laborkontrollen
  • Antikörpertiter überwachen
  • Nebenwirkungen dokumentieren
  • Bei neuen Läsionen sofort Arzt kontaktieren

Aussichten in der Behandlung der Blasensucht

Die Forschung entwickelt gezielteren Behandlungsansätze:

  • Ofatumumab: Alternativer CD20-Antikörper
  • Chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen (CAR-T): Elimination Desmoglein-spezifischer B-Zellen
  • Anti-neonatale Fc-Rezeptor-Therapie: Reduktion pathogener Antikörper
  • Apremilast: PDE4-Inhibitor mit entzündungshemmender Wirkung

implantate.com-Fazit:

Pemphigus vulgaris bleibt eine ernste Erkrankung, deren Prognose entscheidend von früher Erkennung und adäquater Therapie abhängt. Durch die charakteristische Blasenbildung der Mundschleimhäute können Zahnärzte viel zur Früherkennung beisteuern. Mit modernen Therapieansätzen, insbesondere Rituximab als Erstlinientherapie, können heute gute Behandlungsergebnisse erzielt werden.

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Letzte Aktualisierung am Freitag, 12. September 2025