Stuttgarter Zahnärztetag zum Thema Implantate: Kurz oder lang – eine Frage der Philosophie


Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob den kurzen
Implantaten die Zukunft gehört und somit vorbereitende Operationen,
die das Knochenangebot verbessern, immer seltener durchgeführt
werden.
Eine Million Implantate im Jahr 2009. Die Implantologie hat die
Zahnmedizin revolutioniert und ist aus dem Spektrum des
zahnärztlichen Leistungsangebotes nicht mehr wegzudenken. Wie Dr.
Konrad Bühler, Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Stuttgart in
seiner Begrüßung feststellte, rechnet die Deutsche Gesellschaft für
Implantologie (basierend auf den Zahlen von 2008) damit, dass in
diesem Jahr rund 1 Million Implantate eingesetzt werden. Ein guter
Grund, sich auf der inzwischen fest etablierten
Fortbildungsveranstaltung, die unter der Leitung von Prof. Dr.
Johannes Einwag steht, mit dem für immer mehr Patienten relevanten
Thema gründlich auseinanderzusetzen. Professor Einwag betonte in der
Einladung zum wissenschaftlichen Kongress, dass er großen Wert darauf
legt, die vollmundigen Versprechen der Implantat-Hersteller genau zu
durchleuchten und deutlich zu machen, dass ,,problemloses Einheilen"
und ,,perfekte Ästhetik" keine Selbstverständlichkeit sind. Wie die
Tagung zeigte, müssen zum guten Gelingen einer implantatgetragenen
prothetischen Versorgung viele Faktoren beitragen; die zahnärztliche
Kunst ist dabei einer der wichtigsten.

Kurzimplantate auf dem Prüfstand.

Der Referent des sog.
,,Stuttgarter Morgens", der einem Spezialthema gewidmet war, kam aus
Paris: Dr. Franck Renouard, ein Praktiker und eine Kapazität auf dem
Gebiet der Kurzimplantate. Lange Zeit war bei vielen Patienten eine
Implantation erst möglich, nachdem der geschrumpfte Kieferknochen
aufgebaut worden ist. Eine neue Dimension bekam die Implantologie
durch Kurzimplantate, die sich durch eine reduzierte Implantatlänge
und einen größeren Durchmesser auszeichnen. Sie haben Langzeitstudien
zufolge selbst bei einem verminderten Knochenangebot gute Prognosen.
Vor allem aber ermöglichen sie Patienten, die bisher wegen eines
ungenügenden Knochenangebotes von einer Implantatversorgung
ausgeschlossen waren, eine relativ einfache Versorgung ohne
vorbereitende Operation. Das von Dr. Renouard zur Diskussion
gestellte Verfahren, mit dem er sieben Millimeter kurze Implantate
innerhalb von einer Viertelstunde einsetzt, fand keinen
ungeteilten Beifall, regte aber zu Diskussionen und zum Überdenken
bisheriger Positionen an.

Implantate für Risiko-Patienten?

Da dank guter Mundhygiene und
intensiver zahnärztlicher Betreuung Zähne heute meist erst im
fortgeschrittenen Lebensalter verloren gehen, entsteht der Wunsch
nach einer festsitzenden Prothese häufig erst bei betagten Patienten.
Doch auch sie können dank neuer Verfahren, die Hart- und
Weichgewebsverluste so weit wie möglich vermeiden, mit von
Implantaten getragenem Zahnersatz versorgt werden. Wie chronisch
Kranke, aber auch Tumorpatienten nach Bestrahlungen im Kieferbereich
adäquat behandelt werden können, zeigte Dr, Stefan Hümmeke,
Osnabrück, in einem eindrucksvollen Vortrag. Fortschritte in der
Diagnostik machen diese Eingriffe zunehmend schonender. In seinem
Vortrag zur Diagnostik und Planung von Implantat-Versorgungen wies
Prof. Dr. Dr. Christian Foitzik, Darmstadt, darauf hin, dass der
Erfolg einer Implantat-Therapie von der richtigen Planung abhängt.
Neue diagnostische Verfahren und digital unterstützte
Operationstechniken wurden anhand von Fallbeispielen diskutiert.
Wichtig für die Praktiker waren auch die Hinweise auf die richtige
Aufklärung des Patienten und die Dokumentation von Befunden im
Hinblick auf eventuelle rechtliche Auseinandersetzungen. Wichtig für
den Erfolg von Implantatversorgungen ist auch die Nachsorge, wie PD
Dr. Frank Schwarz, Düsseldorf, dargestellt hat. Biologische Faktoren
wie eine bakterielle Besiedlung des Implantats sind ebenso wie die
Beschaffenheit des im Knochen verankerten Pfeilers ausschlaggebend
für die Langlebigkeit der Versorgung. So kann beispielsweise durch
ein spezielles Makro- und Mikrodesign des Implantats die
Knochenresorption auf ein Minimum reduziert werden.

Die Diskussion um
die Länge der Implantate, durch den ersten Referenten angestoßen,
zog sich wie ein roter Faden durch alle Beiträge der gut besuchten
Tagung, die mit einer Vorstellung verschiedener Implantat-Systeme
ausklang. Unter dem Vorsitz von Dr. Hans-Jürgen Hartmann, Tutzing,
stellten erfahrene Implantologen, unter ihnen der Filderstädter Dr.
Axel Kirsch, der ein eigenes Implantat-System entwickelt hat, drei
der in Deutschland gebräuchlichsten Systeme vor. Hier zeigte sich,
dass aufgrund neuer fachlicher Erkenntnisse in Verbindung mit der
Verwendung moderner Werkstoffe die Wartezeit bis zur endgültigen
Versorgung auf zwei bis drei Monate verkürzt werden kann. In
Einzelfällen ist es sogar möglich, die künstliche Wurzel unmittelbar
nach der Extraktion in das vorhandene Zahnfach einzusetzen.

Abgerundet wurde der Kongress durch ein parallel laufendes
Programm für Zahnmedizinische Mitarbeiterinnen, das sich ebenfalls
mit Implantaten beschäftigte. Grundlagenwissen und Fallbeispiele,
ergänzt durch Life-Demonstrationen, sollen die zahnmedizinischen
Assistentinnen in die Lage versetzen, Patientengespräche im Vorfeld
einer Implantat-Behandlung adäquat zu führen und das Management der
Nachsorge planmäßig durchzuführen.

Letzte Aktualisierung am Donnerstag, 28 Juni 2009